Literatur auf dem Ring

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Literatur ist ein Kampfsport. Aber ja doch. Man braucht dazu Energie, Ausdauer, Leidensfähigkeit, um sich schwungvoll auf etwas so Verrücktes wie das Schreiben einzulassen. Was hatten Sie denn für Vorstellungen?

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Jean-Bernard Restout, Le poète inspiré

Dass die Autoren sich an ihren Schreibtisch setzten, mit einer Aussicht auf grüne Hügel, die in das sanfte Licht des Mondes getaucht sind? Ein Glas Wein in der Hand, ließen sie ihren Blick über die Landschaft schweifen, bis ihnen die leuchtende Silhouette ihrer Muse erschien? Und dann… dann führt ihr Genie die Feder und füllt Seite um Seite mit seinem Hauch…. alles ohne Anstrengung. Dank Dir, geliebte Muse! Leider scheint es sich in den meisten Fällen nicht so abzuspielen. In den meisten Fällen ist der Schriftsteller allein mit seiner Einsamkeit, mit seinem Glas Wein (oder seinem Kräutertee) und seinem weißen Blatt Papier. Manchmal hat er keine Ideen. Manchmal hat er nicht einmal Lust mit dem Schreiben zu beginnen. Was er schreibt, ist manchmal ganz einfach Müll. Manchmal wird ihm das unter Qualen bewusst. Dann kämpft er. Gegen seine Zweifel, gegen die Angst, manchmal auch gegen oberflächliche Begeisterung, gegen die Versuchung, Klischees zu erliegen. In der waghalsigen Unternehmung, wie es das Schreiben ist, kämpft er darum voranzukommen. Vielleicht wird das Ergebnis enttäuschend sein. Vielleicht wird er zu keinem Ergebnis gelangen. Vielleicht werden die Leser seinen Text nicht mögen. Vielleicht wird es überhaupt keine Leser geben. Und dennoch. Weitermachen. Neu beginnen. Durchhalten.

Literatur ist ein Kampfsport, ein Kampf gegen sich selbst, aber auch ein Kampf gegen die Oberflächlichkeit, gegen vorgefertigte Erwartungen, gegen  Gewissheiten. Die Literatur ist jene Kunst, die eher fragt statt zu behaupten, jene Kunst, die nicht unbedingt der allgemeinen Strömung folgt, sondern sich eher flussaufwärts bewegt, die Bachläufe hinauf, die Kunst, die querfeldein geht. Literatur: das ist das Unerwartete, der Zweifel, die Reise ohne Ziel; es ist nicht festgelegt, niemals.

Literatur ist ein Kampfsport, und um es zu beweisen, bereiten sich mehrere Autorinnen und Autoren verschiedener Nationalität darauf vor in den Ring zu steigen. Sie werden sich nicht vor den Augen eines sachverständigen Publikums aneinander messen, nein, sie werden in einem öffentlichen Raum den eigenen  Ängsten ins Auge sehen, ihre Grenzen testen.

Am 7. Februar 2015 steigen der Belgier Nicolas Ancion, der Franzose Neil Jomunsi, die Deutsche Robert Klages, Nikita Afanasjew und Patrick WEH Weiland sowie die Italienerin Nicoletta Grillo in die Ringbahn, um 24 Stunden lang online zu schreiben !

– Für diejenigen, die es vielleicht nicht wissen: die Ringbahn ist jene S-Bahn Linie, die Berlin in 60 Minuten umrundet (siehe den Artikel „Der Ring“) –

In den Zügen oder in den öffentlichen Räumen längs der Linie S41 (beziehungsweise S42) werden die Autoren – jede und jeder in der Muttersprache – einen bisher unveröffentlichten Text schreiben, den Sie, die Leserinnen und Leser, nach und nach hier, auf dem Blog entdecken können. Selbstverständlich sind Sie, eingeladen online Kommentare zu schreiben, direkt oder auf Facebook oder per Twitter. Während der Veranstaltung werden wir auch Fotos und Videos posten, die die Schreibenden bei der Arbeit zeigen.Vielleicht werden Sie ihnen auch begegnen, falls Sie die Ringbahn an jenem Tag benutzen. Untätige Musen aufgepasst!

4 Gedanken zu “Literatur auf dem Ring

  1. Ich lese es wirklich zum ersten Mal, dass man Literatur mit dem Kampfsport vergleicht… Und ich finde es einfach genial. Ich bin selber ein begeisterter Kampfsportler und finde, dass man zwischen dem Ring und dem Leben sehr viele Parallele ziehen. Muss jetzt unbedingt paar Beiträge von Euch lesen 😉 Vielen Dank!

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